Gamification im B2B-Marketing: Techniken und Beispiele
Herausforderung im Marketing: Markenbekanntheit oder Leads spielerisch generieren.
Wäre es nicht schön, wenn B2B-Marketing spielerisch Leads generieren oder die Markenbekanntheit steigern könnte? Gamification (oder auch Gamifikation, Gamifizierung, Spielifikation oder Spielifizierung genannt) verspricht Techniken, die spieltypische Elemente in einem spielfremden Kontext anwenden und damit für eine spielerische Auseinandersetzung mit Inhalten sorgt. Erfahren Sie alles zu Gamification im B2B-Marketing, inklusive Techniken und Beispielen.
Menschen lassen sich manipulieren. Werber, Marketer und Psychologen wissen das seit jeher. Spieleentwickler aber auch. Denn der Hang zum Spielen ist tief in uns verankert. Deshalb lassen sich Menschen von vermeintlich harmlosen Spielen manipulieren und geben dadurch gleichermaßen bereitwillig wie unbewusst Daten von sich preis. Kein Wunder also, dass Gamification in den letzten Jahren immer häufiger in Websites, Apps und auf Messen genutzt wird, um Zielgruppen und -personen zur Datenpreisgabe zu verleiten.
Spieltheorie, Gamification & B2B-Marketing
Dabei ist das zugrundeliegende Prinzip zum spielerischen Bewältigen von Aufgaben mit anschließender Belohnung nichts Neues. Ob Bonusmeilen für Bahn und Flugzeug, Punkte beim Einkaufen oder Kalorienzählen beim Abnehmen – die Muster sind seit Jahrzehnten bekannt. Und sie werden für unterschiedliche Geschäftsmodelle und Marketingansätze genutzt. Aber nur den wenigsten Menschen ist bewusst, dass es sich dabei um Spielmechanismen handelt.
Wie gesagt, gespielt wurde schon immer. Neu ist, dass uns die zugrundeliegenden Theorien und Techniken erforscht und zugänglich sind. Und dass gerade eine Generation existiert, die mit Computerspielen aufgewachsen ist, die zum Teil auf diesen Erkenntnissen entwickelt wurden. Heutige junge Arbeitskräfte sind mit Smartphones, Tablets und Konsolen aufgewachsen und zocken seit sie gehen können, um es überspitzt zu formulieren. Entsprechend zielen neueste soziologische Erkenntnisse darauf ab, diesen Spieltrieb ökonomisch nutzbar zu machen. Genau das ist das Ziel von Gamification.
Spieltheorie und Gamification
Gabe Zichermann ist so etwas wie der Entdecker dessen, was wir heute Gamification nennen. Im Jahr 2011 erschien sein Buch „Gamification by Design“, in dem er die Wirkungsprinzipien und Einsatzmöglichkeiten von von Gamification beschreibt. Inzwischen hat sich Gamification längst aus dem reinen (B2B-)Marketing heraus entwickelt. Es gibt Bücher über „Gamification im Projektmanagement“ und sogar Lebenshilfe-Ratgeber, die sich das Prinzip der Gamifizierung zunutze machen.
Kein Wunder also, dass Spiele und Spielprinzipien in der Ausbildung einen immer wichtigeren Stellenwert erhalten. Das liegt auch daran, dass sich geschäftliche Verhandlungen und Problemstellungen mit einem Ansatz erklären lassen, der Spieltheorie genannt wird. Dabei handelt es sich um eine mathematische Theorie zur Analyse und Vorhersage von Interaktionen unterschiedlicher Akteure. Mit Hilfe der Spieltheorie lässt sich unter anderem das rationale Entscheidungsverhalten von Menschen in sozialen Konfliktsituationen erklären, aber eben auch das Verhalten in bestimmten Spielsituationen vorhersagen.
Bezogen auf Gamification können Dynamiken und Zusammenhänge, in denen wir strategisch agieren und reagieren, nicht nur beschrieben sondern vorhergesagt werden. Dadurch lassen sich Scoring-Modelle auf die möglichen Handlungsoptionen anwenden sowie Regeln für den Spielablauf definieren.
Spieltheorie, auch für Nicht-Mathematiker
Glauben Sie mir, ich bin beileibe kein Mathematiker. Dennoch habe ich die Prinzipien hinter der Spieltheorie verstanden. Mir hat das Buch „Spieltheorie für Einsteiger“ von Avinash K. Dixit und Barry J. Nalebuff geholfen. Dort lernen Sie mehr über das Gefangenendilemma und das Nash-Gleichgewicht. Anhand von vielen interessanten Beispielen verstehen Sie recht schnell die Grundlagen der Spieltheorie, die Sie sich im Alltag und im Geschäftsleben zunutze machen können.
Beispiele für Gamification im B2B-Marketing
Nach der Spieltheorie kann nahezu alles als ein Spiel gesehen werden. Ich stelle Ihnen nachfolgend einige nützliche Beispiele für Gamification vor, die Sie für Ihr Marketing (nicht nur im B2B) nutzen können. Sie werden überrascht sein, wo Sie spielerisch auf Ihre Zielgruppe einwirken können!
Komplettiere Deine Daten auf LinkedIn, Facebook & Co.
Wenn Sie ein Profil bei einem Social Media Netzwerk Ihrer Wahl anlegen, dann sind Sie garantiert bereits in Kontakt mit einem Gamification-Ansatz gekommen. Das Spiel heißt: Ich zeige Dir eine Skala von 0 bis 100% an und markiere den Punkt, an dem Du gerade mit der Vervollständigung Deines Profils angekommen bist. Oder die Kurzform: Visualisierung als Spiel. Wir sind darauf gepolt, die 100% zu erreichen und folgerichtig bemühen wir uns, die fehlenden Daten noch einzutragen. Die Belohnung ist ein höherer Prozentwert, der auch gleichzeitig als Motivator fungiert. Vor allem LinkedIn hat dieses Prinzip in den vergangenen Jahren perfektioniert. Und mit dem Social Selling Index (SSI) haben sie nicht nur einen Indexwert geschaffen, sondern ein magisches Gamification-Tool, das Züge eines Strategiespiels zeigt. Auf verschiedenen Achsen musst Du (D)einen Charakter entwickeln, um das Spiel zu gewinnen.
Punktesammeln beim Einkaufen, Abnehmen und Reisen
Ganz egal, ob Sie Meilen bei Lufthansa, Bahn und Co. oder Payback- bzw. ADAC-Punkte sammeln: Die Aussicht, diese Punkte irgendwann gegen einen realen Wert einzutauschen, ist für Verbraucher:innen sehr verlockend. Entsprechend sind derartige Bonussysteme stark im Kommen. Faktisch gesehen ist es aber ein Gamification-Ansatz: Wer die meisten Punkte sammelt, bekommt einen Preis. Ganz wie an der Losbude. Dieses Prinzip können Sie sich auch zu Nutze machen, zum Beispiel in Kombination mit einer eigenen Community. Unterschätzen dürfen Sie den Aufwand für das Aufsetzen und Betreiben eines solchen Reward-Programmes allerdings nicht. Und viele Nutzer:innen haben das Prinzip der Datengewinnung hier längst durchschaut und wenden sich von diesem Konzept ab.
Bayer: Compliance spielerisch kennenlernen
Compliance ist ein Thema, das viele Unternehmen umtreibt. Leider ist es aber auch ein schwierig zu vermittelndes Thema und wird oftmals in Form von Vortragsreihen, Workshops oder Broschüren an die Mitarbeiter:innen kommuniziert. Bayer ist mit einem Serious Game Konzept einen ganz anderen Weg gegangen, um die Aufmerksamkeit aller Mitarbeiter:innen für die neuen Compliance-Richtlinie zu gewinnen. In mehreren Levels, mit interaktiven Videos und über verschiedene Sprachen hinweg wird Mitarbeiter:innen das Thema Compliance spielerisch nicht nur näher gebracht, sondern es wird gleichzeitig richtiges Verhalten erlernt. Ein aufwendiges, aber gleichzeitig anschauliches Beispiel, wie Gamification sinnvoll und gewinnbringend eingesetzt werden kann.
Oracle: Bau Deine eigene Cloud
Spielerisch erleben, wie modular und einfach zu konfigurieren das eigene Produkt ist – dieser Ansatz steckt hinter dem Cloud Stacker Spiel, das Oracle vor einigen Jahren präsentierte. Das Spiel ging im Web viral, wurde aber auch auf Messen und Events eingesetzt. Und das mit großem Erfolg: Laut gamewheel.com, dem Anbieter des Spiels, erzielte das Spiel eine CTR von 85%. Ein beachtlicher Wert, aber mich würde mehr die Qualität der generierten Leads interessieren. Aufgrund der Viralität und der Zielgruppenansprache sowie der Vermittlung der wesentlichen Produktmerkmale dennoch ein extrem positives Beispiel.
Gamification im B2B-Marketing einsetzen
Vermutlich fragen Sie sich jetzt, wie Sie Gamification selbst einsetzen können. Natürlich können Sie sich an den Beispielen orientieren und eigene Lösungen darauf aufbauend entwickeln. Bevor Sie aber loslegen, sollten Sie noch einen Blick auf die nachfolgenden Aktionsfelder für Gamification werfen. Ich habe vier Felder für Sie zusammengetragen, die eine exzellente Basis für Gamification-Ansätze bieten:
Wettbewerb anregen
Menschen wetteifern gerne um das beste Resultat, die schnellste Zeit, den schönsten Entwurf,…
Rätsel lösen
Escape-Rooms, Adventures oder Wer-wird-Millionär: Rätsel lösen ist auch eine Option für Gamification
Feedback geben
Sterne-Bewertungen, Slider & Co. sorgen für spielerische Interaktion mit Nutzer:innen
Ego polieren
Experten-Status, Aktivitäts-Weltmeister und andere Titel sorgen für Motivation bei Nutzer:innen (denken Sie an LinkedIn und den Social Selling Index).
Hinzu kommen drei Prinzipien, die auf alle Gamification-Szenarien anwendbar sind. Demnach müssen Nutzer:innen:
- Motiviert werden, etwas zu tun (z.B. durch Belohnung).
- Befähigt sein, eine Aktion auszuführen (z.B. durch Hilfestellungen).
- Getriggert werden, eine Aktion auszulösen bzw. abzuschließen (z.B. durch Aktionshinweise).
Wenn Ihnen das aus dem Werbe- und Marketingalltag bekannt vorkommt, dann sind wir hier schon zu zweit. Letztlich funktioniert modernes Content Marketing entlang der Customer Journey auf eine ähnliche Art und Weise. Daher wundere ich mich immer wieder darüber, wie selten ich Gamification-Ansätze im B2B-Marketing oder generell im Marketing antreffe.
Vielleicht liegt es an den schrumpfenden Marketingbudgets der letzten Jahre. Oder an fehlendem Fachwissen über die Möglichkeiten von Gamification. Eventuell ist Gamification aber einfach noch nicht im B2B-Marketing angekommen und ein weiterer weißer Fleck auf der Marketinglandkarte.
Takeaway (TL;DR)
- Gamification ist eng mit Digitalisierung und gesellschaftlichem Wandel verflochten.
- Spielerisch an Daten zu gelangen, ist eines der Hauptziele der Gamifizierung.
- Kombiniert mit Erkenntnissen der Spieltheorie entstehen immer neue Modelle für das Marketing.
- Best Practice Beispiele zeigen, wie sich Gamification sinnvoll einsetzen lässt.
- Im B2B-Marketing gibt es bisher nur wenige gute Beispiele für spielerische Ansätze.
- Dabei sind die zugrundeliegenden Techniken und Mechanismen einfach zu erlernen und anzuwenden.
Bildquellen
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