Sinkendes Schiff: Soweit muss es im Marketing trotz sinkender Budgets nicht kommen
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Von sinkenden Marketingbudgets zum sinkenden Schiff

Warum sinkende Marketingbudgets in der Krise zu einer Abwärtsspirale führen.

In seiner aktuellen Studie zu B2B Marketingbudgets zeichnet der bvik ein noch düstereres Bild, als es die 2018er Studie gezeichnet hat. Der Grund sind weiterhin sinkende Marketingbudgets. Viele B2B Marketingverantwortliche haben bereits in den vergangenen Jahren mit gekürzten Etats gekämpft und ihre Strategien immer weiter verwässert. Mit verheerenden Folgen für das gesamte Unternehmen. Was ist aus der Binsenweisheit des antizyklischen Investierens geworden?

B2B Marketing im Krisenmodus

„Charakter zeigt sich in der Krise“ hat Helmut Schmidt einmal gesagt. Was für einen Charakter erleben wir dann gerade angesichts immer weiter sinkender Marketingbudgets in zahlreichen B2B-Unternehmen, speziell in der Führungsetage? Da herrscht das Credo, dass jeder seinen Beitrag zum Einsparen leisten muss – von R&D bis eben zum Marketing. Und genau das zeigt sich in den Zahlen, die der Bundesverband Industrie-Kommunikation e.V. (bvik) in seiner Studie „B2B-Marketing-Budgets 2020“ veröffentlicht hat. Dabei zeigen sich meines Erachtens folgende beunruhigenden Trends:

  • Marketingbudgets sinken

    Nur noch 1,25 Mio. Euro in 2020 im Vergleich zu 1,66 Mio. in 2018 bzw. bezogen auf den Umsatz nur noch 0,6% im Verhältnis zu 1% in 2018. Corona spiegelt sich in der Studie nur minimal wider, umso beunruhigender ist dieser Trend. Denn schon jetzt ist absehbar, dass der Sinkflug weitergeht.

  • Marketing-Teams schrumpfen

    Mit nur noch rund 6 Mitarbeitern (zu gut 10 Mitarbeitern in 2018) sollen die stetig wachsenden Aufgaben im Marketing bewältigt werden. Gleichzeitig können Aufgaben aufgrund sinkender Budgets nicht nach extern vergeben werden.

Im Vorwort zur „B2B-Marketing-Budgets 2020“ Studie schreibt Dr. Andreas Bauer, Vorstand des bvik: „Zeiten des Wandels sind immer auch Hochzeiten des Marketings. Das wünsche ich uns allen!“. Es wird ein frommer Wunsch bleiben, denn Zahlen lügen nicht. Das sieht offensichtlich auch Dr. Bauer nicht anders, denn in einem weiteren Satz schreibt er: „Das notwendige antizyklische Investitionsverhalten, um in Pole Position aus der Krise hervorzugehen, wird die Ausnahme sein.“

Wachstumsstrategien trotz sinkender Budgets: Eine Herausforderung, nicht nur für Marketing & Kommunikation

Sinkende Marketingbudgets vs. Herausforderungen

Sinkende Marketingbudgets und Mitarbeiterzahlen werfen bei mir die Frage auf, welche Strategie Industrieunternehmen verfolgen, um sinkenden Umsätzen und zunehmendem Verdrängungswettbewerb entgegenzuwirken. Eine antizyklische Strategie ist es jedenfalls nicht. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl, denn in der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 folgten zahlreiche Unternehmenslenker deutscher Industrieunternehmen dem Lean-Management Ansatz, um Kosten zu sparen und Prozesse zu optimieren. Dieser Ansatz trug insbesondere den deutschen Maschinenbau in den vergangenen Jahren von einem Hoch zum nächsten. Was aber, wenn alles optimiert und verschlankt ist? Nach schlank folgt magersüchtig und der Mangel zehrt an der Substanz. Genau dieses Szenario könnte nun eintreten, angesichts folgender Herausforderungen:

a) Globalisierung

Deutsche Industrieunternehmen sind Export-Weltmeister. Das Bespielen internationaler Märkte auf allen Kontinenten erfordert Fingerspitzengefühl, Kreativität und oftmals Mut zur Lücke. Das Gießkannenmodell können sich international nur die wenigsten Unternehmen leisten. Dennoch gilt es, möglichst in allen regionalen Märkten ausreichende Präsenz zu zeigen. Wenn die Budgets hier wegbrechen, braucht es wenigstens personelle Stärke, um hier gegenzusteuern. Wer proaktiv wirken möchte, benötigt beides: Budget und Personal.

b) Digitalisierung

Gerade im B2B-Marketing gibt es im Bereich Digitalisierung eklatante Defizite. Angesichts schrumpfender Budgets und Mitarbeiterzahlen ist das nicht weiter verwunderlich. Und doch tragen vor allem sinkende Etats und die Auswirkungen der Coronakrise dazu bei, dass das Marketing digitaler und auch agiler wird. Werden muss. Dazu braucht es vor allem Tools und Know-how – beides ist nur mit personellem Aufwand und mit Budgets möglich. Wenn beides schrumpft, bleibt nur das Nutzen interner (knapper) Ressourcen und damit dem Abbau von Substanz, denn irgendetwas wird dafür auf der Strecke bleiben.

c) Differenzierung

Unternehmen, die über hervorstechende Unterscheidungsmerkmale verfügen, wirken auf Interessenten, Bewerber und Investoren geradezu magisch anziehend. Das neuerliche Streben nach Purpose und Employer Branding zeigt das sehr deutlich. Sinkende Marketingbudgets und Mitarbeiterzahlen werfen die Frage auf, wie hier entsprechende Schritte nach vorne getan werden können? Wer A sagt, muss auch B sagen. Soll heißen: Wer sich für Purpose entscheidet, muss auch bereit sein, in das breite und tiefe Ausrollen zu investieren. Der berühmte Long Tail. Kommunikation wirkt im B2B-Bereich selten kurzfristig, dafür aber umso nachhaltiger. Darin liegt eine große Chance für Unternehmen, allerdings gibt es diese Chance nicht zum Nulltarif. Dafür gibt es maximal die Brille von Fielmann, um die Kurzsichtigkeit zu kurieren.

d) Erfolgszwang

Performance Marketing ist nur ein Trend, der durch steigenden Erfolgsdruck im B2B Marketing befeuert wird. In der Krise wird aus Erfolgsdruck schnell ein Erfolgszwang. Neben den gestiegenen fachlichen, unternehmerischen und inhaltlichen Herausforderungen sehen sich Mitarbeiter dem steigenden Druck messbarer Erfolge gegenüber. Wenn ich mit Kollegen aus anderen Arbeitsbereichen spreche, dann gibt es keinen vergleichbaren Bereich, der so einen krassen Spagat zwischen sinkenden Budgets und gestiegenen Erwartungen konfrontiert ist. Und von so einem Mitarbeiterschwund.

Marketing Burnout durch sinkende Marketingbudgets

Wer schon einmal mit Burnout auseinandergesetzt hat weiß, dass es hilfreich für die Vermeidung desselben ist, dass man die richtigen Erwartungen an seinen eigenen Erfolg hat. Denn richtige Erwartungen können vor der Unzufriedenheit und vor Burnout schützen. Fakt ist: Der „Marketing Burnout“ geht weiter. Die Gründe liegen in übersteigerten Erwartungen bei gekürzten Budgets und reduzierter Manpower. Die verbliebenen Mitarbeiter werden verbrannt, gleiches droht Kunden, Interessenten und ganzen Märkten.

Burnout als drohendes Marketing Szenario für Personal, Kunden und Märkte

Messen und Live-Events kommt im B2B-Marketing eine besondere Rolle zu. Nicht umsonst ist laut der Studie „B2B-Marketing-Budgets 2020“ des bvik gut ein Drittel des Marketingbudgets hierfür vorgesehen. Durch Corona hat sich insbesondere im Messe- & Eventbereich eine dramatische Veränderung ergeben, denn durch abgesagte Messen und Veranstaltungen weltweit wurden die Budgets zu einem großen Teil entweder ersatzlos, oder aber sehr weit zusammen gestrichen. Die verbliebenen Messebudgets wurden und werden oftmals für digitale Events verwendet. Diese sind in der Regel deutlich kostengünstiger als Präsenzmessen, was sich als nachteilig für zukünftige Budgets erweisen könnte.

Leads, Leads, Leads

Für den Vertrieb sind Leads die Währung, mit der das Marketing bewertet wird. Leads wiederum kosten entweder Geld oder gute Ideen. Oder beides. Sie merken schon: Mit der Abwärtsspirale aus sinkenden Marketingbudgets und verringertem Headcount im Marketing ist das nicht vereinbar. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um Growth Hacking in Unternehmen zu verankern. Dazu braucht es aber Mut und Freiraum sowie Manager, die diesen Prozess im Unternehmen verankern, moderieren und zum Erfolg führen.

„Tja, dann schlage ich vor, Gentlemen, dass wir lernen, ein eckiges Schwein durch ein rundes Loch zu schieben, und zwar schnell!“

Missionsleiter Gene Kranz in Apollo 13 (und ja, das ist ein Synchronisationsfehler vom Englischen ins Deutsche)

In gewisser Weise ist Growth Hacking so etwas wie Lean Management, denn es trägt zur besseren Nutzung bestehender Ressourcen (nämlich Informationen) bei und führt zu besseren Ergebnissen (nämlich mehr Leads und höheren Umsätzen). Zudem werden interdisziplinäres Zusammenarbeiten gefördert und bestehendes Silodenken abgebaut. Und am wichtigsten: Ausgaben für Kommunikation können zielgerichteter eingesetzt werden.

Growth Hacking als Weg aus der Krise

Gratis gibt es diesen Ansatz jedoch nicht, denn neben den notwendigen Software-Tools (CRM, Webanalyse, etc.) erfordert Growth Hacking jede Menge Manpower und Geduld. Es wird nicht die erste Idee sein, die einen zählbaren Erfolg bringt. Aber mit der ersten wirklich zählbaren Idee werden weitere kommen, denn der Weg wird klarer und deutlicher, sobald man ihn beschreitet. Fakt ist: Es braucht neue Ideen und Herangehensweisen, denn sinkende Marketingbudgets sind ein B2B Marketing Trend, dessen Ende nicht absehbar ist. Das Schiff darf nicht sinken, darin sind sich alle einig. Die Wege dorthin dürfen meiner Ansicht nach nicht ausschließlich über Kosteneinsparung führen, denn Wachstum und Kosteneinsparung vertragen sich nicht besonders gut.

Umso wichtiger wird es, die Planung von B2B Marketing Budgets zukünftig noch enger an KPIs auszurichten und noch besser zu dokumentieren. Und es braucht Unternehmer, die in Abschwungbewegungen eine Chance erkennen und dem Marketing einen Vertrauensvorschuss entgegenbringen. Das ist jener Charakter, der in der Krise den Unterschied machen kann und machen wird.


Takeaway (TL;DR)

  • Weiterhin sinkende Marketingbudgets in 2020 laut Studie des bvik.
  • Coronakrise ist in Studie noch nicht komplett berücksichtigt.
  • Nur noch 0,6 Prozent am Gesamtumsatz werden als Marketingbudget angesetzt.
  • Laut Studie ebenfalls Reduzierung des Headcount im Marketing auf ca. 6 Mitarbeiter.
  • Gleichzeitig steigende Herausforderungen, wie Globalisierung, Digitalisierung und Differenzierung.
  • Mittelumwidmung bei Messebudgets für digitale Events in Coronakrise mit Langfristwirkung.
  • Neue Wege bei sinkenden Marketingbudgets gehen, z.B. Growth Hacking etablieren.

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